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Kapital oder Rente wählen

Erfahren Sie in diesem Artikel

  • warum die Rentenwahl für viele nicht sinnvoll ist
  • welche Alternativen es zur Verrentung gibt
  • wer bei der Sofortrente profitiert
  • auf was es bei der Entscheidung ankommt

von Dr. Steffen Schaarschmidt

| Lesezeit: ca. 7 Min.

Warum die Kapitalwahl meist die bessere Wahl ist

Nicht nur Versicherungsnehmer einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht haben die wichtige Entscheidung „Kapital oder Rente“ zu treffen. Auch Personen mit sonstigem vorhandenen Kapitalstock stehen bei Renteneintritt vor der Entscheidung, das Kapital z.B. in eine Sofortrente (lebenslange Rente gegen Einmalbeitrag) zu stecken, oder die Auszahlung zu wählen und das Kapital selbst zu verwalten und durch regelmäßige Entnahmen zu verrenten.

 

Tabelle 4: Ergebnis von finanzmathematischen Prüfungen ­ "Kapital oder Rente"

In den letzten 10 von uns durchgeführten Prüfungen war in 9 Fällen die Auszahlung bzw. Kapitalwahl und die selbstständige Bewirtschaftung des Kapitals während der Rentenphase wirtschaftlich die sinnvollere Wahl. Die Entscheidung „Kapital oder Rente“ sollte nicht ohne gründliche Analyse durch einen unabhängigen Experten getroffen werden, da sie weitreichende finanzielle Konsequenzen für Sie und Ihre Erben hat. Die Entscheidung hängt maßgeblich von den folgenden Faktoren ab, auf die wir später noch detailliert eingehen:

  • Flexibilität bzw. Vererbungswunsch
  • Sicherheit bzw. Risikoneigung
  • Abschlussjahr (bei einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht)
  • Steuern
  • Individuelle Lebenserwartung

 

Flexibilität bzw. Vererbung

Zunächst sollte für die Entscheidung „Kapital oder Rente“ analysiert werden, wie wichtig die Flexibilität in der Rentenphase ist. Konkret hängt die Entscheidung für die Auszahlung davon ab, ob ein Teil oder das gesamte Kapital während der Rentenphase für den Rentner bzw. in seinem Todesfall für seine Erben verfügbar sein sollen. Möchte der Rentner im Todesfall sein Kapital vererben oder jederzeit flexibel über sein Vermögen verfügen, spricht das eher für die Auszahlung mit selbstständiger Bewirtschaftung. Traut sich der Rentner dies (auch mit Unterstützung von Experten) nicht zu oder möchte beispielweise verhindern, in die Versuchung von Kapitalentnahmen für Konsumzwecke zu kommen, bietet sich die Rentenwahl bzw. der Abschluss einer geeigneten Sofortrente an. In diesem Fall ist der Beitrag für die Sofortrente allerdings – bis auf eine möglicherweise vereinbarte Rentengarantiezeit – für die Erben verloren.

 

Sicherheit bzw. Risikoneigung

Die Wahl „Kapital oder Rente“ ist immer auch ein Stück weit eine Wahl zwischen „Rendite und Sicherheit“. Während ein Kapitalstock je nach Anlage zwar weiter Renditen erwirtschaftet, ist durch regelmäßige Entnahmen bei Kapitalverzehr v.a. bei hohen Lebensaltern irgendwann der Kapitalstock entspart, d.h. es sind keine weiteren Auszahlungen mehr daraus möglich. Dieses Risiko lässt sich nur durch eine Rentenversicherung komplett vermeiden, die wie die gesetzliche Rentenversicherung eine lebenslange Rente auszahlt. Diese bietet zwar geringere Renditen, sichert dem Rentner jedoch durch einen garantierten Rentenfaktor eine lebenslange Rente auch bei weit überdurchschnittlichen Lebensaltern zu. Der Preis für diese Sicherheit ist allerdings eine eher tiefe Rentenleistung. Die Auszahlung und der Kapitalverzehr mit Wertpapieren bietet im direkten Vergleich beispielsweise eine deutlich höhere Rente (55 Euro statt 26 Euro monatlich aus 10.000 Euro Kapital) trotz konservativen Annahmen zur Lebenserwartung.

 

Tabelle 5: Rentenfaktoren und Effektivrenditen bei Verrentung von Kapital

Abschlussjahr (bei einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht)

Das Abschlussjahr spielt eine wichtige Rolle, da für Verträge zwischen 1996 und Mitte 2001 noch Rentenfaktoren für den Ablauf vertraglich garantiert wurden. Die Rentenfaktoren sind mittlerweile aufgrund der schlechteren Rechnungsgrundlagen Zins und Biometrie über die Jahre hinweg stetig gesunken. Aktuell (Stand 02/2023) beträgt ein typischer durchschnittlicher Rentenfaktor etwa 26, d.h. für 10.000 Euro Kapital wird eine monatliche Rente von 26 Euro bzw. eine jährliche Rente von 312 Euro garantiert. Im Umkehrschluss heißt das, dass der Versicherungsnehmer hier über 32 Jahre (10.000 / 312) ab Renteneintritt leben muss, damit er gerade einmal seinen Versicherungsbeitrag über die Jahre zurückerhält. DIeser Umstand führt dazu, dass viele Versicherungsnehmer überlegen, Ihre Lebensversicherung zu kündigen. Garantiert ist bei der Privaten Rentenversicherung übrigens nur der „garantierte“ Rentenfaktor. Und der auch nur, wenn die Lebensversicherung auf die Anwendung des §163 VVG verzichtet, was aktuell nur eine Lebensversicherungsgesellschaft tut.

 

Steuern

Selbstverständlich spielen auch Steuern eine Rolle bei der Wahl zur Auszahlung der Leistungen. Aus Tabelle 4 wird jedoch deutlich, dass die Steuer für die Bestimmung der Effektivrendite einer Option nicht der maßgebliche Faktor ist. Bei Abschlüssen bis 2005 konnten Beiträge für Lebensversicherungen steuermindernd abgezogen werden, und ab 2005 sind auch die Erträge ab 2005 mit dem sogenannten Ertragsanteil der Rente zu besteuern. Selbst wenn wir einen Grenzsteuersatz von 42% und die volle Ausschöpfung der regelmäßigen Sparbeiträge unterstellen, erwirtschaftet die Rentenversicherung gerade einmal 0.3% p.a. Effektivrendite nach Steuern in diesem Szenario mit 20 Jahren Restlebensdauer. Selbstverständlich verbessert sich diese Effektiv-Rendite bei längeren Lebensdauern, wie man in Diagramm 1 sehen kann. Allerdings muss der Versicherungsnehmer für eine attraktive Rendite schon über 100 Jahre alt werden, was voraussichtlich nur wenige schaffen werden. Für steuerliche Überlegungen sollten Sie übrigens stets Ihren Steuerberater einbeziehen.

 

 

Diagramm 1: Effektivrenditen p.a. für Kapitalverrentung und unterschiedliche Restlebensdauern (bei Renteneintritt mit 66 Jahren)

Lebenserwartung

Die eigene Lebenserwartung ist bei weitem der wichtigste Faktor für die wirtschaftlich beste Wahl. Ohne aktuarielle Kenntnisse fällt es allerdings schwer hier die richtige Zahl zu finden. Zwar helfen gängige Daumenregeln für eine erste Beurteilung, besser ist jedoch spezifische aktuarielle Unterschiede wie Geschlecht und Raucherstatus in die Schätzung miteinzubeziehen und einen angemessenen Sicherheitsabschlag bei den Sterblichkeiten zu berücksichtigen. Hier können wir Ihnen als unabhängige Experten und Aktuare mit mehr als 10 Jahren Erfahrung in der Lebensversicherung helfen.

 

 

 

Unser 64-jähriger Mann aus dem Beispiel in Tabelle 5 hat beispielsweise eine Lebenserwartung von 82 Jahren, wenn man die Sterbetafeln der deutschen Bevölkerung von 2016/2018 zugrunde legt. Da etwa die Hälfte der 64-jährigen Männer älter als dieser Durchschnittswert wird, muss ein angemessener aktuarieller Sicherheitsabschlag auf die Sterblichkeiten angewendet werden. Nichts anderes tun Lebensversicherungen bei der Tarifierung von Rentenversicherungen. Wir legen für unseren Vergleich einen Sterblichkeitsabschlag von 50% zugrunde, so dass die verwendete Lebenserwartung in unseren Simulationen auf 89 Jahre steigt, wie man aus Diagramm 2 erkennen kann. Die blaue Fläche gibt den Anteil der Personen an, die das jeweilige Lebensjahr voraussichtlich überschreiten werden.

 

 

 

 

Diagramm 2: Lebeserwartung bei erreichtem Alter von 64 Jahren, Quelle: Bevölkerungsstatistik 2016/2018, eigene Berechnungen

Für Frauen sieht die Situation ähnlich aus. Allerdings haben sie im Vergleich zu Männern längere Lebenserwartungen, die es für einen Vergleich der Optionen korrekt zu berücksichtigen gilt. Eine 64-jährige Frau lebt durchschnittlich etwa 4 Jahre länger als ihr gleichaltriger Mann. Wir legen auch hier für unsere Berechnungen stets eine längere Lebenserwartung zugrunde, in diesem Beispiel von etwa 91 Jahren.

Wichtig auch hier: Alle Berechnungen sind individuell, und in unserem Beispiel auf das Alter 64 und einen durchschnittlichen Gesundheitszustand bezogen. Für ältere und gesündere Versicherungsnehmer muss mit höheren Lebenserwartungen gerechnet werden.

In unserer Altersvorsorgeberatung berechnen wir individuell für Sie alle Optionen und den jeweiligen Wert, basierend auf Ihrer individuellen Lebenserwartung. Auf dieser Grundlage können Sie die richtige Entscheidung treffen, welche weitreichende Konsequenzen für Sie und Ihre Erben hat.

 

Dr. Steffen Schaarschmidt
Honorarberater und eingetragener Versicherungsberater

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